Das Widerrufsrecht sei nur ausgeschlossen, wenn eine Versiegelung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene erfolgt sei und die Ware nach deren Entfernung endgültig nicht mehr – auch nicht auf dem Gebrauchtwarenmarkt – verkauft werden könne. Entsprechend hat gerade der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 03.07.2019, Az.: VII ZR 194/16).
Die Richter begründen ihre Entscheidung mit dem Ziel des europäischen Gesetzgebers, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Die Regelung, die das Widerrufsrecht für bestimmte Fälle ausschließe, sei daher eng auszulegen. Da Menschen gewohnt seien, in Hotels auf gebrauchten Matratzen zu schlafen, und auch ein Gebrauchtwarenmarkt für Matratzen existiere, sei auch eine gebrauchte Matratze noch verkehrsfähig. Ein Matratzenkauf im Onlinehandel könne daher auch widerrufen werden, wenn die Matratze bereits in Gebrauch genommen wurde. Gegebenenfalls müsse der Kunde Ersatz für einen möglichen Wertverlust leisten. Die Durchsetzung dieses Wertersatzanspruchs ist für den Händler aber mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. Er muss nämlich nicht nur die unverhältnismäßige Ingebrauchnahme, sondern auch die Höhe des Wertverlustes nachweisen. Es überrascht nicht, dass viele Händler auf die Geltendmachung dieses Anspruchs verzichten. Dies gilt selbst dann, wenn sie in der Praxis die retournierte Ware vernichten müssen, weil die Aufbereitung unwirtschaftlich wäre oder am Gebrauchtwarenmarkt kein angemessener Preis zu erzielen ist.
Wenn Mitglieder der Bundesregierung und Vertreter der Opposition hohe Retourenquoten im Onlinehandel und die Vernichtung retournierter Ware beklagen, passt das nicht zu den gleichzeitig bestehenden verbraucherpolitischen Ansprüchen. Es liegt auf der Hand, dass das hohe Verbraucherschutzniveau, die komplizierte Rechtslage und die daraus resultierenden praktischen Probleme bei der Rechtsdurchsetzung den Missbrauch der Widerrufsrechte durch unseriöse Kunden fördern. Damit erhöht sich im Ergebnis auch die Menge der zu vernichtenden Waren.
Auch mit dem Ziel, Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, sollte die EU-Kommission daher eine Überarbeitung des Widerrufsrechts auf die Tagesordnung setzen. Dies war zwar schon 2018 mit dem New Deal for Consumers geplant, ist aber unter anderem am Widerspruch der Bundesregierung gescheitert.
Dr. Peter Schröder, Bereichsleiter Recht und Verbraucherpolitik beim HDE und Syndikusrechtsanwalt
schroeder@hde.de
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